Jobsuche als Software-Entwickler*in im Jahr 2025
Note for my English readers: This post is available only in German, since it describes my experiences specifically with job searching in Germany, and under German bureaucracy. I invite you to read it through a translation service of your trust,1 but please note that it’ll probably not be helpful or particularly insightful to you. Enjoy reading!
So kriegst du einen Job als Software-Entwickler*in!
Okay, stopp. Ich wünschte, ich könnte dir mehr bieten als diesen Clickbait-Titel, und es gäbe das Zauberrezept, und hurra, wir sind fertig! Leider ist es nicht ganz so einfach. Das Jahr neigt sich allmählich dem Ende zu, und ich selbst habe noch keinen Job gefunden.2 Allerdings kann ich dir hier ein paar Tipps dazu geben, was mir geholfen hat, zumindest entsprechendes Selbstwertgefühl (wieder) zu entwickeln, meinen Lebenslauf und mein Anschreiben ein bisschen zu optimieren, und was ich erfolglos probiert habe. Mit etwas Glück hilft dir, liebes Lesy3, mein Post damit weiter, deine eigene Suche ein bisschen erfolgreicher zu machen.
Ich betrachte in diesem Post das Thema Bewerbungen und insbesondere den Umgang mit der Arbeitsagentur durchweg etwas sarkastisch, versuche aber auch, konstruktiv Rat zu geben, damit das hier nicht nur ein überlanger Rant wird. Hoffentlich ist etwas dabei, was auch dir hilft, einen Job zu finden!
Wie die Arbeitsagentur “hilft”
TL;DR: Sie hilft nicht.
Du kannst sofort vergessen, dass du hier in irgendeiner Weise nützliche Tipps bekommen wirst. Die Arbeitsagentur ist etwa so vertraut mit der Software-Entwicklung wie Ziegen mit Brotbacken. Ziegen haben diese lustigen Bärte, die Autorität suggerieren (nicht meine eigenen Worte, sondern die einer meiner reizenden Partnerpersonen), aber sobald du ihnen den Rücken zudrehst, werden sie dir ihre Hörner in die Kniekehlen rammen – nicht lebensbedrohlich, aber schmerzhaft und lästig. Nicht nur verstehen sie nichts von deinem Problem, sie werden auch wahrscheinlich im Gegenteil hinderlich dabei sein, eine Lösung zu finden. Wenn du von ihnen Hilfe bei diesem Thema erbittest, werden sie ihr möglichstes tun, dir zu helfen, nur wird ihre Hilfe eher deine Zeit verschwenden; du hast am Ende Teig überall, nur nicht im Ofen, und dein Brot enthält zu viel Ziegenhaar. Schlimmer jedoch, sie werden dich nicht mehr in Ruhe lassen (wahrscheinlich hat ihnen der Teig zu gut geschmeckt) mit ihrer “Hilfe”, und wenn du sie ablehnst, haben sie die Möglichkeit, dich zu bestrafen (Sperrzeiten/Kürzungen/Streichungen beim Arbeitslosengeld; wen motiviert das nicht total, nutzlose und an deinen Skills komplett vorbeigehende Stellenangebote in Betracht zu ziehen?).
Ich möchte gerne nicht nur destruktiv über die Arbeitsagentur herziehen (auch wenn das zugegeben Spaß macht und ein gutes Ventil ist, den Frust über sie loszuwerden), sondern auch konstruktiv und konkret erklären, wieso sie so wenig hilft. Das Problem ist, dass bei der Arbeitsagentur anscheinend niemand arbeitet, der*die auch nur die geringste Ahnung davon hat, wie Software entwickelt wird. Das sind keine Leute, die je das Wort “Merge Request” gehört haben, oder die Java von Javascript unterscheiden können. Sie wissen auch nichts über Software Development Life Cycles, Testing, Quality Assurance, oder Deployments. Sie werden aber bereitwillig so tun, als könnten sie ohne irgendein Wissen darüber genau das tun, was du selbst auch (und viel besser!) kannst: nämlich Stellenangebote lesen!
Apropos Stellenangebote: Die Arbeitsagentur betreibt ja ihr eigenes Stellenportal, und das ist nicht mal furchtbar, wenn auch ein bisschen langweilig aufgemacht. Andererseits, häufig genug sind Websites von öffentlichen Stellen zwar irgendwie optisch ansprechend, aber dafür findet man dort nie, was man sucht. Pick your poison.
Das Stellenportal der Arbeitsagentur allerdings ist dann eben noch ein weiteres Portal, auf dem du dich einloggen musst, zusätzlich zu den großen kommerziellen Plattformen. Am Ende wirst du dann sowieso in den meisten Fällen zu einer externen Seite weitergeleitet, über die du dich bewerben musst (allerdings muss ich fairerweise sagen, dass das ja bei den Stellenangeboten auf den kommerziellen Portalen auch häufig so ist). Wozu also überhaupt auf (noch) einem Stellenportal anmelden, wenn du sowieso im Laufe des Bewerbungsprozesses noch hundertmal deine Daten in irgendeine schlecht designte Maske reinkloppen musst?
Das Problem im konkreten Fall Arbeitsagentur ist aber nicht das Design des Stellenportals, sondern die Angebote, die du dann als “Vermittlungsvorschläge” bekommst. In meiner persönlichen Erfahrung (und wenn es dir da anders geht, möchte ich dich beglückwünschen!) waren die nämlich nie passend. Von Stellen, die mit deiner Spezialisierung nur am Rande was zu tun haben, zu denen, für die du eine (natürlich nicht von der Arbeitsagentur finanzierte) Zusatzqualifikation, Zertifizierung oder ähnliches brauchst: das Stellenportal der Arbeitsagentur beweist, dass du am besten selbst suchst.
Hier habe ich mal einen Screenshot gemacht von den “Angeboten” in meinem “Vermittlungspostfach”:

“Herr Team Senior Connect” ist Werbung für ein weiteres Stellenportal namens “Senior Connect”. Ja, bitte, ich will unbedingt noch mehr Drittfirmen meine persönlichen Daten geben, damit sie mich mit Werbung und AI-Grifter-Posts zuspammen können. Nicht. Einige davon – ich erspare es mir, hier die Namen abzutippen – sind Werbung für “Karrierecoachings” (dazu unten mehr!). Bloß nicht! Und dann einige von meiner*m Sachbearbeiter*in, die meine Anträge auf Weiterbildungen ablehnen. Kurzum: Danke für nichts, Arbeitsagentur! Da kann ich es auch gleich lassen. Klar, Arbeitslosengeld brauche ich trotzdem, also macht man schön mit, aber wenn du da mehr machst als “ja und amen” zu allem zu sagen, was sie dir vorschlagen, verschwendest du deine Zeit.
Übrigens, nicht zu allem solltest du Ja sagen: Die Arbeitsagentur kann nämlich bei Beginn deiner Arbeitslosigkeit festhalten, dass du eine bestimmte Menge Bewerbungen pro Zeitraum erfüllen musst. Dazu solltest du auf keinen Fall zustimmen, wenn du nicht buchstäblich Bewerbung für Bewerbung rausknallen willst, ohne Hoffnung, dass du auch nur von der Hälfte Antworten bekommst. Ich habe das eine Weile gemacht (ich musste zum Glück nicht, aber habe es trotzdem getan), und auf Antworten von einigen Bewerbungen vom März warte ich noch immer. Hängt vielleicht damit zusammen, dass die Stellen ohnehin nicht so richtig gepasst hätten, und die sich nicht mal die Mühe gemacht haben, auf eine relativ lustlose Bewerbung zu antworten? Aber wenn du zu einem Kontingent gezwungen wirst und das nicht schaffst (eventuell, weil es pro Bewerbung ca. 1000 Hirnzellen abtötet?), können dir Auflagen gemacht werden, wie verpflichtende (nervtötende) Coachings, und wenn du die ablehnst, kriegst du plötzlich wieder kein Geld.
Du sagst also brav Ja dazu, dass du dir selbst Stellen suchen wirst. Die Arbeitsagentur wird dir vielleicht anbieten, ein “Suchprofil” für dich auf ihrem Stellenportal anzulegen. Dem kannst du ruhig zustimmen, wenn du willst, das führt höchstens zu ein bisschen Spam wie in dem Screenshot oben. Achte dabei darauf, deine Kenntnisse so genau wie möglich anzugeben, damit du weniger Angebote bekommst, die gar nicht passen. Und vielleicht ist ja sogar wirklich etwas Nützliches dabei!
Job-Coaching “Akademiker”, oder: Wie man Zeit richtig effektiv verschwendet
Vorab, ich kann natürlich nicht garantieren, dass alle Coachings dieser Art gleich ablaufen. Falls du also ein richtig gutes hattest, lass es mich gerne wissen ;)
Zu diesem sogenannten Coaching solltest du auf keinen Fall zusagen, außer es fällt dir besonders schwer, überhaupt irgendwie mit dem Bewerbungsprozess anzufangen. Das Coaching dauert 3 Monate, in denen du etwa zweimal pro Woche bei denen aufschlagen musst für je 90 Minuten. Das klingt nicht furchtbar lang, aber wenn ich dir erzähle, wie diese Sitzungen ablaufen, wirst du vielleicht der Meinung sein, dass du deine Zeit sinnvoller nutzen kannst.
In meinem Coaching war es zum Glück wenigstens teilweise möglich, von zuhause teilzunehmen. Das hat dabei geholfen, andere Sachen zu erledigen, während meine Coach versucht hat, sich zu überlegen, wie sie jetzt die ausgedruckten (!) Jobangebote, die sie gefunden hatte, mir digital zukommen lässt. Ja, das ist die Art von technischer Expertise, die dir dabei helfen wird, einen Job als Software-Entwickler*in zu finden. Ganz bestimmt. Nur noch kurz was faxen! Aber im Ernst, ich war dankbar, dass ich nicht tatsächlich jedes einzelne Mal zu den Treffen in Person erscheinen musste. Ich konnte dann nämlich auch die Logins in den Jobportalen schneller und komfortabler machen, hatte meine gewohnte Arbeitsumgebung, konnte mir vorher Tee kochen und den während dem Meeting trinken und so weiter. Die normalen Vorzüge von Home Office eben.
Sitzung 1: Status Quo
Nachdem der ganze Papierkram erledigt ist – Abgleich persönlicher Daten, hier und da unterschreiben, Mailadresse und so zur Verfügung stellen – fängt es sogar erstmal ganz gut an: Aufnahme der aktuellen Situation. Du bist also arbeitslos, seit dann und dann, und du hast vielleicht schon vorher im Bereich Software-Entwicklung gearbeitet. Und jetzt suchst du nach einer Stelle. Man nimmt all deine Berufsdaten auf, die anno 1970 wahrscheinlich wahnsinnig relevant waren für jede Stelle. Dass 100% dieser Daten auch schon bei der Arbeitsagentur aufgenommen wurden, obwohl du sie vorher brav in so ziemlich jede Eingabemaske gehauen hast, die dir zur Verfügung gestellt wurde, spielt keine Rolle. Auch nicht, dass du deinen Lebenslauf mitbringen solltest, von dem sämtliche dieser Informationen abrufbar sind, den sie auch vorher schon online bekommen haben, die Daten also buchstäblich höchstens kopieren müssen. So viel zu “Digitalisierung in Deutschland”.
Ob du einen Führerschein hast? Du blinzelst, aber du hast richtig verstanden. Das ist eine Frage, die dir 2025 gestellt wird, während du dich fragst, ob du zu deinen Docker- und Kubernetes-Kenntnissen noch AWS hinzufügen sollst, auch wenn du buchstäblich nur einmal eine Konfigurationsdatei angefasst hast, die per API einen Blob heruntergeladen hat. Aber okay, klar, viele Firmen suchen vermehrt nach Leuten, die lokal ansässig sind, denn die kann man wenigstens mit halbwegs überzeugend klingenden Argumenten zwingen, ins Büro zu fahren. Meistens ist der Grund “wegen der Kultur!!!einseinself”, aber welche Kultur das genau sein soll und was sie mit hässlichem blauem Teppichboden und Großraumbüros zu tun hat, bleibt fraglich. Aber komischerweise war in keiner meiner bisherigen Stellen ein Führerschein irgendwie relevant. Den Arbeitgebern ist es schlicht sehr egal, wie du zur Arbeit kommst. Das ist natürlich etwas, was ein Job-Coach nicht weiß, denn die haben ja IT-Arbeitsplätze noch nie auch nur aus der Entfernung gesehen.
Natürlich ist einiges davon einfach der Bürokratie geschuldet, an der wiederum eine ganze Menge weiterer Bürokratie hängt. Prozesse, die nicht überarbeitet werden, und die deswegen nicht mehr zur Realität passen. Wenn dich das noch nicht abgeschreckt hat, kannst du weiterlesen, ob du auf den Rest der Sitzungen Lust hast.
Sitzung 2: Der Lebenslauf
Während das Lächeln bei dir und bei deiner*m Coach gleichzeitig langsam einfriert, versucht ihr euch an den interessanten Teil zu machen: den Lebenslauf. Natürlich ist dein Lebenslauf nicht gut genug, völlig egal wie stolz du auf ihn bist. Denn das ist leider eine der Realitäten von Arbeiten mit Job-Coaches: wenn sie nichts finden, was du ändern sollst, haben sie ja keine Rechtfertigung für die Arbeit, die sie machen (zumindest im Hinblick auf ihren Job; meine Coach war eine ganz großartige, freundliche und zuvorkommende Sachbearbeiterin! Ich war sehr glücklich sie zu haben. Nur hilfreich war sie für mich leider eher wenig, und das ist nicht ihre Schuld. Aber dazu später mehr). Du musst deinen Lebenslauf also überarbeiten. Anscheinend sind zwei-spaltige Varianten gerade so sehr in Mode, dass dir jede Variante, die das nicht nutzt, erst einmal schlecht geredet wird.
Sie werden versuchen dir ein Profilfoto einzureden. Dass ein Profilbild nicht Pflicht ist, wissen sie immerhin. Hintergrund: Unternehmen dürfen sich zwar ein Profilbild wünschen, aber es nicht verlangen, und sie dürfen es vor allem nicht als Grundlage heranziehen, jemand nicht einzustellen.4 Wenn sie an deinem Profilbild erkennen, dass du eine Person of Colour bist, oder trans, können sie leicht deine Bewerbung mit Hinweis auf “besser passende Bewerber” oder ähnliches abwälzen. Genau so funktionieren übrigens auch Bewerbungsvideos. Leider kein Wort davon von meiner Coach, das musste im Gegenteil ich ihr erklären. Insgesamt waren die leider nicht wahnsinnig bewandert, was Diskriminierung angeht. “Jobcoaching für weiße cis-Menschen” wäre ein besserer Titel.
Die sonstigen Hilfen zum Lebenslauf waren vielleicht tatsächlich nützlich, oder zumindest haben sie sich so angefühlt. Hier kommt einer der wenigen Tipps, die ich auch so unterstützen kann: Du muss herausfinden, wie detailliert dein Lebenslauf sein muss; dein*e Coach kann dir dabei nicht helfen, weil sie sich ja nicht auskennen. Es ist leider schwer zu sagen, ob du deinen Lebenslauf für Recruiter*innen schreibst oder für Menschen mit technischem Verständnis. In meinem Fall habe ich einiges an Technologien aufgeführt, die ich bei jeder Stelle benutzt habe, indem ich Tags in meinem Lebenslauf verwendet habe. Dazu kannst du dir zum Beispiel das Typst-Template metronic anschauen, wo das zum Einsatz kommt. Das kommt dir da entgegen, wo die Stellenanzeige voller Schlagwörter zu verwendeten Technologien ist.
Das war also eine der Sitzungen, die ein bisschen nützlich waren. Allerdings reichen dir vielleicht auch meine Tipps hier schon aus, sodass du dir das Coaching sparen kannst.
Sitzung 3: Das Anschreiben
Hier unterschieden sich meine Ansichten etwas von der meiner Coach: ich habe nämlich argumentiert, dass es statistisch mehr bringt, möglichst viele Bewerbungen rauszuhauen, die nur aus einem Lebenslauf bestehen, anstatt die Zeit in Anschreiben zu investieren.5
Jetzt hängt das natürlich von deinen genauen Zielen ab: Wenn du so schnell wie möglich an irgendeinen Job kommen willst, hilft das vielleicht, weil du so mehr Unternehmen in derselben Zeit erreichen kannst. Natürlich fliegst du da bei eher klassischen Unternehmen raus, denn die stellen dich ja nie ein, wenn du nicht Anschreiben, Profilbild (dazu siehe oben), lückenlose Zeugnisse über sämtliche Stationen deines Lebens, Geburtsurkunde deiner Katze, Begründung, warum du keine Katze hast, und mindestens 10 weitere Dokumente einreichst. Das gleiche gilt für den öffentlichen Dienst.
Hier musst du also selbst ein bisschen gucken, wie du an welche Bewerbungen herangehen willst. LinkedIn erlaubt es ja für einige Bewerbungen, “easy apply” zu wählen; du lädst deinen Lebenslauf in LinkedIn hoch, gibst eine Telefonnummer an (hier weiß ich wirklich nicht, warum ich das immer wieder angeben musste; vielleicht habe ich aber auch irgendwo eine Einstellung in LinkedIn übersehen, sodass meine Nummer nicht gespeichert ist), und hoffst auf eine baldige Rückmeldung. Wenn du nach diesen “easy apply” Bewerbungen filterst, kannst du innerhalb kürzester Zeit einiges an Bewerbungen raushauen, sofern dein Lebenslauf eher auf Vollständigkeit basiert als auf einzelne Stellenangebote zugeschnitten zu sein.
Bei anderen Stellen wirst du vielleicht wirklich mehr Arbeit investieren wollen, um ein ansprechendes Anschreiben zu gestalten. Ich will hier nicht noch einen weiteren Artikel schreiben, der dir erklärt, wie das Anschreiben strukturiert sein soll; das gibt es online zuhauf. Allerdings habe ich den folgenden Tipp bekommen, der für mich zumindest schlüssig wirkt: In der Darstellung deiner vorigen Jobs konzentrier dich auf Erfolge, die du am besten auch noch quantifizieren kannst – mit anderen Worten, statt “ich habe die Entwicklung von Foo-Library geleitet” schreib eher “Entwicklung eines Moduls, mit dem die Produktivität von Bar-Abteilung um 10 Prozent gesteigert werden konnte”. Das ist die Sprache, die die Menschen sprechen, die dein Anschreiben lesen. Die Menschen, mit denen du nachher arbeitest, die deine Arbeit und dein Wissen wertschätzen können, sehen das Anschreiben wahrscheinlich nicht mal, deswegen versuch im Anschreiben auch wirklich nur HR zu beeindrucken. Deine beeindruckenden Details heb dir für das Interview oder den Probearbeitstag mit dem Team auf, da ist das deutlich besser aufgehoben.
Das ist der einzige Tipp, den ich mir aus dem Anschreiben mitgenommen habe, den ich nicht auch so vorher schon online gefunden hatte; deshalb spar dir das Coaching, lies das hier, und dann schreib dein Anschreiben entsprechend anderer Anleitungen ;)
Sitzung 4: Das Job-Interview
Das ist die wohl nützlichste Sitzung, die ich hatte: wir haben ein Job-Interview für eine konkrete Stelle, zu der ich eine Einladung zum Interview bekommen hatte, durchgespielt. Dazu gehören die lustigen Fragen wie “warum haben Sie sich für dieses Unternehmen entschieden” (die Antwort “ich muss Miete zahlen, duh” zählt leider immer noch nicht), aber auch Feedback zu meiner Selbstdarstellung.
Dieses Feedback und das Reflektieren, wie man welche Frage auch anders beantworten kann, war wirklich wertvoll für mich. Am nützlichsten war, wie ich auf die häufig gestellte Frage nach meinen eigenen Schwächen reagieren kann. Der Trick besteht darin, mit deiner Antwort gleich wieder eine Stärke zu präsentieren. Zum Beispiel so:
Meine Schwäche ist ein großes Bedürfnis nach Struktur. In Chaos verliere ich schnell den Überblick. Deswegen schaffe ich mir Struktur zum Beispiel durch tägliches Feedback, das ich mir von meinen Team-Mitgliedern einhole.
Dass die meisten Teams in der Software-Entwicklung sowieso Dailies machen, wissen die Job-Coaches nicht. Bei Recruiter*innen ist das mitunter schon präsenter, aber das ist letztlich ein Detail, das du für deine eigene Antwort anpassen kannst. Wichtig ist wie gesagt: nutz die Gelegenheit, um dich reflektiert (Zugeben einer “Schwäche”), aber lösungsorientiert (deine Lösung, mit der Schwäche umzugehen) darzustellen.
Es kann sich lohnen, ein Job-Interview mit jemandem durchzuspielen, auch wenn sich das Rollenspiel vielleicht merkwürdig anfühlt.6 Da lohnt es sich, wenn die Interviewer*in-spielende Person auch Erfahrung mit Job-Interviews von der anderen Seite hat. Insofern kann ich eine solche Sitzung empfehlen. Wenn du jemanden hast, der*die diese Rolle spielen kann, mach das lieber mit dieser Person; wenn du niemand anders hast, kannst du dir überlegen, ob es sich dafür lohnt, einen 3 Monate dauernden Kurs zu belegen, um einmal in den Genuss einer solchen Vorbereitung zu kommen.
Sitzungen 5 ff.: Stellensuche
Hier beginnt spätestens der Teil, den du ganz allein machen kannst (und wenn du ähnlich tickst wie ich, auch willst): das Einstellen von Suchaufträgen bei diversen Job-Portalen wie LinkedIn, XING (wenn man diese furchtbare Plattform überhaupt besuchen will), StepStone, indeed und wie sie nicht alle heißen. Sicher ist es sinnvoll, falls du diese Plattformen noch nie in deinem Leben gesehen hast, da mal draufzugucken. Aber ganz ehrlich, dafür brauchst du keinen 3-Monate-Kurs belegen. Wenn du in der Software-Entwicklung bist, kannst du dir das selbst beibringen, da hab ich wirklich größtes Vertrauen in dich.
Die nächsten Sitzungen werden darauf verwendet, die eingestellten Suchaufträge durchzugehen und dich dann auf die Stellen zu bewerben, die sinnvoll klingen. Hier hatte ich persönlich die größten Schwierigkeiten: es ist für mich schlicht unmöglich, eine Stellenanzeige zu lesen, während ich weiß, dass jemand neben mir sitzt und auf mein Urteil wartet, ob ich mich dafür jetzt bewerben will oder nicht, und dann auch gleich erwartet, dass ich die Bewerbung live vor deren Augen fertig mache und abschicke. Das ist kein MO, der für mich funktioniert. Ich muss eine Anzeige in Ruhe lesen können, und ich muss sie auf Basis von “der Vibe stimmt nicht” verwerfen können, ohne mich erklären zu müssen. Das kann ich aber nicht, während mir jemand in den Nacken atmet.
Deswegen liefen diese Termine für mich eine Weile ähnlich ab: meine Coach stellt mir ein paar Beispiele vor, ich zwinge mich, den Text durchzulesen, ich speichere mir die Stellen in der jeweiligen Plattform für zuhause. In vielen, vielen dieser Fälle habe ich später zuhause, beim in Ruhe Lesen, dann festgestellt, dass die Stelle für mich nicht passt, und sie doch verworfen. Und klar, das kann mir auch zuhause passieren, aber da bin ich nicht vorher erst irgendwo hingefahren, wo ich genau dasselbe, nur weniger effektiv, gemacht habe. Natürlich haben in ein paar Fällen die Stellen auch gepasst, dann habe ich eine Bewerbung geschickt.
Insgesamt waren letztlich die Sitzungen, in denen ich mit meiner Coach gemeinsam nach Stellen gesucht haben, für mich nicht hilfreich. Ich wäre schneller und effektiver gewesen, wenn ich das für mich allein bearbeitet hätte. Diesen Teil kann ich also leider wieder nicht empfehlen – und deswegen insgesamt auch nicht das gesamte Programm.
Wie wäre es, wenn wir etwas anders machen?
Wie wir es aus agiler Arbeit gewohnt sind (sind wir doch, oder?), kann man ja durchaus mal das eigene Vorgehen hinterfragen, um nach Alternativen und Verbesserungen zu suchen. Das habe ich mit meiner Coach auch gemacht – nach ein paar Sitzungen gemeinsam Stellen durchgucken, habe ich ihr gesagt, dass das für mich nicht gut funktioniert, und dass ich mich frage, ob ich an dieser Stelle nicht besser allein weitermache. Ich wurde gebeten, das erst mal an die Arbeitsagentur zurückzumelden. Das Resultat davon war, dass die irgendwie wütend wurden, meiner Coach Vorwürfe gemacht haben, und dann dafür gesorgt haben, dass sie Ärger von ihrer Chef-Ebene bekommt. Begründung? Sie guckt nicht genug Stellenanzeigen mit mir durch! Dabei war das gerade das, was für mich nicht funktioniert hatte! Da kann man echt nur den Kopf schütteln. Meine Coach hat mir da sehr leid getan. Ich habe mich dafür entschuldigt, dass sie meinetwegen (und völlig unnötig) Anschiss bekommen hat. Was ist das bitte für ein bescheuertes System, wo du Ärger bekommst, wenn du versuchst, deinen Klient*innen auf die bestmögliche Art zu helfen?
Natürlich haben wir daraufhin in den letzten Sitzungen streng nach Vorschrift gearbeitet: sie hat mir neue Stellenanzeigen geschickt oder gezeigt, und ich hab mich brav darauf beworben (oder eben auch nicht). Davon hatte niemand etwas, aber wenigstens hat sie nicht weiter Ärger bekommen, und ich weiter mein Arbeitslosengeld. Als das Coaching rum war, haben wir glaube ich beide aufgeatmet. Natürlich habe ich ihr im Bewertungsbogen nachher nur Top-Noten gegeben. Sonst hätte sie womöglich wieder Ärger bekommen. Schließlich müssen wir alle unsere Miete und Einkäufe zahlen.
Trotzdem muss klar sein, dass dieses Job-Coaching für dich und mich ziemlich wenig Mehrwert bietet. Über einzelne Bestandteile kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein, und ganz ehrlich, wenn das jetzt alles für dich total gut klingt, solltest du es eventuell doch in Betracht ziehen. Es ist schließlich eine der wenigen Dinge, die die Arbeitsagentur freiwillig bezahlt – wenn es keine Weiterbildungen gibt, kannst du wenigstens noch ein paar Auffrischungen für Lebenslauf, Anschreiben und Interview mitnehmen. Aber mir ist meine Zeit mehr wert.
Fazit und letzte Tipps
Wenn du diesen Artikel aufmerksam gelesen hast, hast du hoffentlich auch die Fußnoten gelesen, und damit auch so ziemlich den einzigen nützlichen Tipp gefunden, den ich für dich habe: Networking und sehr, sehr umsichtige, auf Effektivität ausgelegte Jobsuche bringt dich weiter als dem System zu vertrauen und zu tun, was die Arbeitsagentur vorschlägt. Ich kann dir leider nicht sagen, ob es hilft, 1000 Lebensläufe zu verschicken, oder ob es hilft, Stunden in Anschreiben zu investieren und die Websites von Unternehmen so genau zu analysieren, dass du dich schon fühlst, als hättest du einen Grundkurs in Deduktion bei Sherlock Holmes persönlich belegt.
Es ist auch nicht garantiert, ob selbst die Tipps aus Ludics Blog so gut auf den deutschen Arbeitsmarkt anwendbar sind. Bei öffentlichen Stellen zum Beispiel kommst du um ein Anschreiben nie herum, weil sie so unglaublich konservativ sind. Und ich will damit nicht mal sagen, dass ÖD eine blöde Idee ist; wenn ich eine Stelle dort bekommen hätte, hätte ich sie definitiv genommen, denn die Sicherheiten, die mit einer solchen Stelle einher gehen, wären für meine persönliche Situation ideal (Teilzeit-Möglichkeiten; ich hab schließlich ein Kind, das nach der Schule betreut werden muss, und mit dem ich auch zufällig ganz gerne Zeit verbringe).
Der Vollständigkeit halber möchte ich hier auch Networking in guten Tech-Communities empfehlen: ob auf dem Discord-Server deiner bevorzugten Programmiersprache,7 in Hackerspaces, auf dem C3, oder bei nützlichen (Un-)Konferenzen wie SoCraTes.
Schließlich glaube ich aber auch, dass Glück eine Rolle spielt. Der Markt macht die lustigsten Sachen, gerade jetzt, wo Tech-Bros auf den AI Hype aufspringen als gäb es kein Morgen (was ist eigentlich je aus den ganzen “tollen” Blockchain-Projekten geworden? ;). Ich wünsche dir also Glück, denn alles andere, was du in der Hand hast, ist wahrscheinlich jetzt schon nicht schlecht und braucht meine Hilfe und Tipps nicht. Falls du genug Rücklagen hast, einfach ein paar Monate keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist das vielleicht auch ein ganz guter Zeitpunkt, mal durchzuatmen und zu evaluieren, warum du eigentlich arbeiten willst (von der generellen Notwendigkeit, Miete zahlen zu müssen mal abgesehen) – was würdest du denn gerne tun, wenn du die Möglichkeit hast? Und wie kannst du das erreichen?
Und das wars! Wenn du es bis hierher geschafft hast, herzlichen Glückwunsch, du hast alles was du brauchst. Falls du sonst noch mehr Tipps willst, die ich hier nicht abdecken konnte, erreichst du mich über den Kontakt-Bereich in der Website-Navigation. Alles Gute, viel Glück und Erfolg und hoffentlich bis zum nächsten Post!
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I recommend DeepL translator, their translations repeatedly work really well. ↩︎
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Inzwischen vielleicht doch, aber nicht durch irgendetwas, was ich hier erwähnen könnte – sondern durch Beziehungen. Dazu empfehle ich Ludic’s Guide To Getting Software Engineering Jobs. Such die Überschrift “Trying To Try” und lies das. Und dann wende die Tipps an. ↩︎
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Falls du noch nie vom “Entgendern nach Phettberg” gehört hast, sieh dir dieses Video dazu an: Entgendern nach Phettberg (Thomas Kronschläger – Science Slam Vorentscheid Nord) - YouTube ↩︎
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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, archiviert 2025-09-18. ↩︎
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Nicht meine eigene Idee; sie stammt von einer Freundin, die auf diesem Weg schon mehrfach erfolgreich Stellen bekommen hat. ↩︎
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Menschen, die regelmäßig Rollenspiele wie D&D spielen oder Improv-Theater machen, haben hier definitiv Vorteile, aber sich in eine Rolle hineinversetzen zu können ist grundsätzlich ein nicht zu unterschätzender Skill in vielen Lebenslagen. ↩︎
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Ja, ja, es gibt IRC, aber Discord-Server, die dedizierte Channels zum Thema Jobsuche haben, haben da gegebenenfalls Vorteile. Aber du musst mir ja nicht glauben. ↩︎